Qiwei Zhang 
    
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Eine Doppel-Solo-Ausstellung im Freiburger Kulturwerk T 66:
Malerei von Qiwei Zhang und Jana Kiewit.

Manchmal reicht ein leises Knirschen in einer Fuge, und plötzlich sind die Zweifel da: Ist hier wirklich alles so stabil, wie es aussieht? Können wir uns auf die Statik verlassen? Im Freiburger T66 markiert diese Fuge zurzeit der Weißraum zwischen zwei Bildern von Jana Kiewit (Jahrgang 1982) und Qiwei Zhang (1979). Beide waren bis vor kurzem Meisterschüler bei Klaus Merkel an der Kunstakademie Münster. Jetzt stellen sie hier erstmals im Doppel-Solo aus, und die gefühlte Entfernung zwischen ihren Positionen ist auf Anhieb nur wenig kürzer als die reale zwischen Westfalen und Shanghai, wo die beiden aufwuchsen.

An der Wand: eine streng komponierte Badeszene mit junger Frau im Profil. Ihre Körperhaltung lässt ahnen, dass sie jeden Moment ins Wasser gleiten und aus dem Bild schwimmen dürfte, während sich hinter ihr ein namenloses Ding aus dem türkisen Blau aufbäumt – halb Fels, halb Monster, aber ganz Farbe. Neben dem pastosen Einbruch der Abstraktion in die fein gesponnene Gegenständlichkeit, den Qiwei Zhang hier lanciert, hat Jana Kiewit in nur wenigen Zentimetern Abstand drei ihrer kleinen, auf Geschirrhandtuch aufgebrachten Bilder gehängt. Wie ein fettes, rotfleischiges Blatt beherrscht die immer gleiche Form die Bildräume, aus denen in tieferen Schichten transparent übermalte Grundrisse im Tangram-Look oder die Webmuster des recycleten Malgrunds aufscheinen. Die Störgeräusche zwischen Kiewits Forscherdrang und Zhangs Erzähllaune sind kaum zu überhören, und es ist spannend zu sehen, woher sie rühren.

Zhang, der das erste Obergeschoss im Kulturwerk T66 bespielt, scheint auf den ersten Blick ganz der chinesischen Tradition der gegenständlichen Malerei verpflichtet zu sein. Seine Bilder sind oft biografisch motiviert. In gedeckten, gerne auch düsteren Farben erzählen sie leise Geschichten von den mentalen Auswirkungen des Globalisierungsbooms, den sein Land in den vergangenen zwanzig Jahren erfasst hat. Diese Erzählungen sind jedoch nie ohne die mächtigen Schatten der Malereidiskurse des Westens zu haben, die bei Zhang so unvermittelt ins Geschehen platzen, dass man sich manchmal an die auf Fotos gekrakelten Farbabstraktionen von Gerhard Richter erinnert fühlt. Die Stärke an Zhangs Bildern ist, dass sie diesen Widerspruch nicht auflösen, sondern ihn als ein Problem ausstellen, das der malerischen Lösung bedarf.

Jana Kiewit dagegen hat ihren Bildern alles Erzählerische ausgetrieben. Aus einem reduzierten geometrischen Formenvokabular, für das ihr aufgefaltete Verpackungen als Vorlage dienen, entwickelt sie stattdessen explosive Abstraktionen, denen eine bemerkenswerte Dynamik eigen ist: Je größer die Fläche, die sie beanspruchen, desto stärker scheinen sie sich zu verdichten. Das Ergebnis ist malerische Entropie: Während die untersten Sedimente ihrer Großformate in quecksilbrig glänzenden Schüttungen oder Farbverläufen Kiewits Ringen um die Bildrichtung geradezu körperlich spürbar machen, entfaltet sich darüber Schicht um Schicht ein wucherndes Chaos aus scharf konturierten Sprühnebeln, schablonenhaften Neonflächen, Pinselspuren, Farbspritzern oder Eimerabdrücken, das gezielt im Unklaren lässt, was hier Kalkül ist und was Intuition.

Dass sich dieses Chaos dennoch aus einem klar begrenzten System von Formen und Techniken speist, macht Kiewits Bilder zu äußerst attraktiven Laborproben einer Malerei, deren wichtigster Gegenstand die Erforschung ihre eigenen Bedingungen und Möglichkeiten ist.